Montag, 16. April 2012

Fürchterliches aus "Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten..."

- Fürchterliche Ballade in drei schauderhaften
Abteilungen

aus: „Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten“



Der Saal erglänzt im hellsten Kerzenstrahle
und lust’ger Sang ertönt aus jeder Kahle.
Und Tänzer fliegen auf der Freude Schwingen;
Doch ein Herz klopft voll Kummer und voll Bingen.

Es ist das Herz der Fräulein Leonore,
des Fräuleins mit dem rabenschwarzen Lockenhoore.
Leonoren sah man mit dem Ritter Kunzen
schon etliche Gallops zusammen tunzen.

Das sah auch Ritter Veit und Eifersucht
ward gleich in seiner wilden Brust entfucht.
Zu Kunzen geht er hin und sagt ihm grimmig:
„Gleich gehst Du mit mir oder Gott verdimm mich!“

Der Garten glänzt im hellsten Morgenstrahle
und aus den Zweigen tönt das Lied der Philomale.
Der Ritter Veit zieht seine Klinge nackigt
und steht voll Mordgier in dem dunklen Dackigt.

Der Ritter Kunz naht jetzt und fragt: „Was soll ich?“
Da sagt sein Feind: „Dein Schwert zieh oder Deinen Dollich!“
Da sagt im Ritter Kunz: „Du willst mir trumpfen?
Ich spotte Dein! Auf lass uns blutig kumpfen!“

Schon fechten sie in wildentbranntem Trotzen
das durch die Nacht die scharfen Schwerter blotzen.
Und ehe fünf Minuten noch verstrichen,
da lagen beide jämmerlich durchstichen.

Kaum hörte man im Saal Geklirr der Klingen
so deckte Leichenblässe alle Wingen.
Schnell stürzet alles nach der dunklen Grotte
und siehet bald was sich ereignet hotte.

Leonore ruft: „Weh mir, ich komm zu späte!
Sie liegen beide tot in ihrem Bläte.
So ruft die Jungfrau, tugendreich und edel
und nimmt aus ihren Haaren eine spitze Nedel.

Blickt in den Mond mit Schauder und mit Grausen
und stößt die Nadel tief in ihren Bausen.
Und Alles sieht mit Angst und mit Entsetzen
der Jungfrau rotes Blut hochaufwärts spretzen.

Schon sinkt sie hin, die soviel Anmut hatte
und auf zwei Leichen lieget jetzt die dratte.

Aus wilder Eifersucht entstehet immer
Not, Drangsal, Trübnis, Pein und großer Jimmer.
Was das Geschick auch Böses mag verhängen,
man tut nicht recht, sich selbsten umzubrängen.

Aus: "Deutschlands Leierkasten"

2 Kommentare:

  1. Diese Ballade habe ich schon vor Jahrzehnten auswendig gelernt. Eine Perle der deutschen Poesie! Goethe ahnte nichts von dieser Erweiterung der Reimkunst, oder wenn doch, so schien sie ihm nicht beachtenswert. Schade.

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  2. Wunderbar, das Gedicht haben wir in der Mitte der achtziger Jahre im Kabarett aufgeführt. Mit Kostümen und Waffen. Das Publikum johlte vor Begeisterung.

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